Wenn in wenigen Wochen das kulturelle Großereignis, die skulptur projekte Münster, zu Ende geht, werden einige Arbeiten nicht abgebaut, sondern dauerhaft in Münster bleiben. So wie vor zehn Jahren das Denkmal für Paul Wulf, das die Künstlerin Silke Wagner damals geschaffen hatte. Im gleichen Jahr erhielt Wagner vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst den Maria Sibylla Merian-Preis. Danach folgten zahlreiche Ausstellungen und Projekte insbesondere für den öffentlichen Raum. Unter anderem realisierte die ehemalige Meisterschülerin von Thomas Bayrle ein vieldiskutiertes Gedenkprojekt in München zur Erinnerung an den Widerstandskämpfer Georg Elser.
Am Freitag, 8. September, wurde von Planungsdezernent Mike Josef und Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig im Frankfurter Stadtteil Fechenheim eine sechsteilige Skulpturenserie der 1968 geborenen und in Frankfurt lebenden Künstlerin eingeweiht.
Im Juni letzten Jahres hatte die Stadt Frankfurt sechs professionelle bildende Künstlerinnen und Künstler eingeladen, für Alt-Fechenheim – zwischen Mainuferpromenade und Einkaufsstraße – Skulpturen zu entwerfen. Silke Wagner schlug sechs Skulpturen vor, die nach dem Prinzip von Wetterfahnen konzipiert sind und sich im Wind drehen.
Jede der zwischen drei und vier Meter hohen Skulpturen wurde in einem aufwendigen Kunstschmiedeverfahren hergestellt. Auf ihrer Motivsuche hat sich die Künstlerin mit der Geschichte des Stadtteils auseinandergesetzt. Im Fechenheimer Geschichtsbuch Band 12 ist sie fündig geworden. Es beschreibt die Entstehungsgeschichte der Gassen, die den Leinpfad mit Alt-Fechenheim verbinden: Geschichte und Geschichten, die heute größtenteils nicht mehr sichtbar sind und langsam aus dem kollektiven Gedächtnis zu verschwinden drohen. Kaum ein Fechenheimer dürfte sich noch erinnern, dass sich in der Lappengasse früher das Postamt befand. Zwei gespiegelte Fische stehen u.a. für die Plessengasse, die nach zwei Fechenheimer Bürgermeistern benannt ist. Sie verweisen gleichzeitig auf die lange Fischereitradition Fechenheims und den Fisch im Stadtwappen. Silke Wagner hat diese Kapitel Fechenheimer Vergangenheit in abstrahierte Bildzeichen übersetzt.
„Silke Wagner hat eine ortsspezifische Arbeit verwirklicht, die auf die Umgebung reagiert. Umgekehrt werden die Skulpturen Einfluss auf ihren Lebensbereich nehmen. Sie werden für Gesprächsstoff sorgen und einen aufschlussreichen Beitrag zur Identität des Stadtteils leisten“, sagt Kulturdezernentin Dr. Ina Hartwig. „Durch die Skulpturen von Silke Wagner werden die Verbindungen zwischen Mainufer und dem Fechenheimer Ortskern ansprechend akzentuiert“, führt Planungsdezernent Mike Josef aus. „Ich bin überzeugt, dass sie sich zum Markenzeichen für das Gebiet entwickeln werden.“
Die Wind-Skulpturen sind aber auch – gerade durch die vorgenommene Variation und Reduzierung – eigenständige grafische Elemente, die sich durch eine hohe Wiedererkennung auszeichnen und eine visuelle Klammer zwischen den Orten bilden.
„Mir war es deshalb ein besonderes Anliegen, eine ortspezifische Arbeit zu entwickeln, die die räumlichen Besonderheiten berücksichtigt, aber gleichzeitig einen eigenständigen visuellen Kontrastpunkt setzt, der die etablierte Wahrnehmung des Ortes bricht und neue Referenzpunkte setzt“, so die Künstlerin selbst.
Die Jury lobte die hohe Professionalität der Beiträge, die 2016 in einem Wettbewerb präsentiert wurden. Sie unterstrich aber auch die Schwierigkeit, dass die Kunst nicht von Anfang an in der Planung mitgedacht war und nachträglich auf engem Terrain ihren Platz finden musste – gleichzeitig aber visuell hervortreten sollte. „Ein Problem, für das der Siegerbeitrag eine kluge und gewitzte Lösung gefunden hat“, so die Kulturdezernentin in ihrer Laudatio.
Bereits in ihren frühen Aktionen und Projekten gilt das Interesse von Silke Wagner der Verschiebung von Bedeutungsebenen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen, zwischen dem sozialen und dem kunstimmanenten Bereich. Wagners medienübergreifende Arbeiten zielen auf Kommunikation. Ob Skulptur, Lichtinstallation, Flaggen oder Wind-Skulpturen, es ist der Kontext des Stadtraums, in dem die Attraktivität der Arbeiten ihr subversives Potential entfaltet.